Betrugs­fall am Luzer­ner Con­cours­ball: Von schö­nen Klei­dern und «weib­li­chen Listen»

Pia Gem­per­le

Die «Con­cours Hip­pi­que» genann­ten Pfer­de­ren­nen fanden in der Stadt Luzern seit dem aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert jähr­lich statt. Neben dem sport­li­chen Anlass, bedeu­te­ten die Rennen eine wich­ti­ge Tou­ris­ten­at­trak­ti­on und belieb­tes Frei­zeit­ver­gnü­gen. Am Sams­tag dem 21. Juni 1947 fand auf der Halde bei schwü­lem Wetter der Natio­­nen-Preis statt. Das Luzer­ner Tag­blatt berich­te­te über den Sieg der fran­zö­si­schen Equipe und beschrieb neben­bei das far­ben­fro­he Bild auf der Tri­bu­ne «ele­gan­ter Toi­let­ten, gemischt mit den Uni­for­men aus­län­di­scher Mili­tärs».[1]

Pro­gramm­heft des Con­cours Hip­pi­que 1947, in: SALU Renn-Club Luzern D037/53

Die Klei­dung der Gäste bekam am Abend grös­se­re Bedeu­tung. Das Hotel Natio­nal lud anläss­lich der Spring­rei­ten zum fest­li­chen Con­cours­ball. Gerade gut betuch­te Luzer­ner fie­ber­ten dem Ereig­nis ent­ge­gen und für die Damen stell­te sich die Frage, was sie denn nun anzie­hen möch­ten. Louise[2] wurde von einer aus­län­di­schen Rei­te­r­e­qui­pe zum Ball ein­ge­la­den. Die Vor­freu­de war gross.

Nach den Ent­beh­run­gen des Krie­ges spie­gel­te die Damen­mo­de 1947 die Rück­kehr zum Luxus mit einem Hang ins Über­schwäng­li­che. Stil­be­wuss­te Frauen trugen lange Klei­der mit asym­me­tri­schen Aus­schnit­ten, geschickt geraff­te Fest­klei­der, dazu grosse breit aus­la­den­de Hüte. Eine legere Unbe­schwert­heit spiel­te in dieser neuen „frau­li­che­ren“ Mode mit.[3]

Das Waren­haus Nord­mann ver­kauf­te in diesem Sommer hüb­sche Klei­der bereits ab 39.- Fran­ken. Für den edlen Anlass wünsch­te sich Louise aber eine aus­ge­fal­le­ne­re Gar­de­ro­be. Diese liess sie sich bei der Schnei­de­rin M. Fried­li Cou­ture an der Zen­tral­stras­se 45 anfer­ti­gen, ein Ball­kleid aus Sei­den­samt inklu­si­ve Wust. Das edle Stück trug einen stol­zen Preis, näm­lich ganze 500.- Franken.

Die Frau wird wieder Frau, in: Schwei­zer Frau­en­blatt, Organ für Frau­en­in­ter­es­sen und Frau­en­kul­tur, Heft 13, 1947, S. 3

Obwohl unsere Prot­ago­nis­tin aus einer wohl­ha­ben­den Luzer­ner Patri­zi­er­fa­mi­lie stammt, war sie nicht in der Lage das schöne Ball­kleid selbst zu kaufen. Gemäss gel­ten­dem Ehe­recht unter­stan­den die Finan­zen ihrem Mann und ohne seine Ein­wil­li­gung konnte sie keine grös­se­ren Aus­ga­ben täti­gen. Selbst wenn sie das Geld dafür selbst erar­bei­tet oder bereits in die Ehe ein­ge­bracht hatte.

Das Kleid war ihrem Mann aber leider zu teuer. Der Wort­laut des Ehe­streits ist nicht über­lie­fert. Die Pro­zess­ak­ten halten aber fest wie es wei­ter­ging. Karl Josef[4] hatte sich nicht darauf beschränkt seiner Frau den Kauf zu unter­sa­gen. Er selbst unter­rich­te­te die Schnei­de­rin, dass er nicht beab­sich­ti­ge für den Kauf­preis aufzukommen.

Nun wollte Frau Fried­li das Kleid auf keinen Fall ohne Bezah­lung her­aus­ge­ben. Louise ver­such­te die Schnei­de­rin aus eige­nen Mit­teln zu über­zeu­gen. Das Kleid war ihr sehr wich­tig und sie bot als Pfand zwei Bro­schen, ein Paar Leder­hand­schu­he und einen Stoff­man­tel mit Kat­zen­fell­fut­ter. Doch dies genüg­te Frau Fried­li nicht.

Unsere Prot­ago­nis­tin hätte sich beschei­den dem Willen ihres Mannes unter­wer­fen und ein Kleid aus­wäh­len können, wel­ches seinen Preis­vor­stel­lun­gen ent­sprach. Das tat sie aber kei­nes­wegs, das schöne Abend­kleid hatte es ihr sehr ange­tan und sie hatte nicht vor, etwas ande­res zum Con­cours­ball zu tragen. Wie sie dies erreich­te, dar­über gehen die Äus­se­run­gen aus­ein­an­der. Der Fall lan­de­te vor Gericht und dieses fasste ihr Vor­ge­hen mit schar­fen Worten zusam­men: «Sie hat sich nicht gescheut, durch alle weib­li­chen Listen zu ihrem Ball­kleid zu kommen.»

Nach­dem Frau Fried­li sich näm­lich gewei­gert hatte ihr das Kleid gegen die ange­bo­te­nen Pfand­ge­gen­stän­de her­aus­zu­ge­ben, hätte sie ihr einen Scheck gezeich­net von Anton[5], einem Luzer­ner Käse­fa­bri­kan­ten im Wert von 500.- Fran­ken über­reicht. Die Unter­schrift dazu hätte er Louise auf dem Renn­platz Bianco erteilt. So lau­te­te ihre Ver­si­on der Geschichte.

Anton hin­ge­gen unter­stell­te Louise, eben­die­se Unter­schrift erschli­chen zu haben. Dies indem sie ihm vor­ge­gau­kelt hätte, er unter­schrei­be einen Kar­ten­gruss. Vor­ge­nann­ter Käse­fa­bri­kant wei­ger­te sich, den Betrag zu bezah­len, die Schnei­de­rin blieb ohne Bezah­lung und zog den Fall vor Gericht.

Auf dem Ball habe Louise sich mit dem unbe­zahl­ten Kleid näm­lich grosse Auf­merk­sam­keit genos­sen. Das Gericht hielt dazu fest: „Der Scha­den der Pri­vat­klä­ge­rin ist mit Fr. 400.- als aus­ge­wie­sen zu erach­ten. Es ist klar, dass sie das getra­ge­ne Kleid, das derart beach­tet wurde, nicht mehr wei­ter­ver­kau­fen kann, trotz­dem es nur einmal getra­gen wurde.“[6]

Obgleich der Umgang mit seinem Scheck­buch wohl eher fahr­läs­sig war, nahm das Gericht Antons Aus­sa­ge als glaub­haft wahr. Das Kri­mi­nal­ge­richt sah nach Prü­fung der Umstän­de die Tat­be­stän­de des Betrugs und der Urkun­den­fäl­schung als bestä­tigt. Der Ange­klag­ten wurde ledig­lich mil­dernd zuge­stan­den, dass sie nicht beab­sich­tigt hatte sich zu berei­chern. Das Urteil lau­te­te auf einer Scha­den­er­satz­zah­lung an die Schnei­de­rin in der Höhe von Fr. 400.- und einer beding­ten Haft­stra­fe von 4 Monaten.

Die Ange­klag­te selbst weilte zum Zeit­punkt der Ver­hand­lung in Ita­li­en und ver­tei­dig­te sich nicht, ob eine enga­gier­te Ver­tei­di­gung den Aus­gang der Ver­hand­lung hätte ändern können, dar­über können wir nur mut­mas­sen.[7]  Nun konnte sich Karl Josef kaum noch wei­gern, die Gerichts­ge­büh­ren und somit ja eigent­lich das Ball­kleid aus dem Fami­li­en­bud­get zu bezah­len. Es bleibt zu hoffen, dass der Ball­abend auch unab­hän­gig der recht­li­chen Folgen unver­gess­lich war.

  1. 28. Inter­na­tio­na­ler Con­cours Hip­pi­que in Luzern, in: Luzer­ner Tag­blatt, 23.06.194
  2. Die Frau wird wieder Frau, in: Schwei­zer Frau­en­blatt, Organ für Frau­en­in­ter­es­sen und Frau­en­kul­tur, Heft 13, 1947, S. 3
  3. Name von der Redak­ti­on geändert.
  4. Name von der Redak­ti­on geändert
  5. Name von der Redak­ti­on geändert.
  6. […]: Haus­frau, Luzern, Urkun­den­fäl­schung, Betrug, StaLU AKT 413A/1314
  7. […]: Haus­frau, Luzern, Urkun­den­fäl­schung, Betrug, StaLU AKT 413A/1314